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Sondertilgung bei Immobilienkredit ausreizen oder stattdessen ETF kaufen?

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Die Mehrheit entscheidet sich dafür, die Tilgung voranzutreiben, statt mit dem gleichen Geld alternativ ETF zu kaufen und damit später viel auf einen Schlag zu tilgen.

Prinzipiell scheint der Kauf von ETF wirtschaftlich sinnvoller zu sein als die Sondertilgung. Allerdings besteht die Gefahr, dass der ETF-Kurs gerade dann schwächelt, wenn man an das Geld ran will bzw. muss.

Hinzu kommt: Ohne Sondertilgung bleibt die Restschuld länger höher als mit Sondertilgung. Die Kreditzinsen müssen auf diese vergleichsweise höhere Restschuld gezahlt werden. Der Tilgungsanteil der Kreditrate wächst damit langsamer. Auch diesen Nachteil müsste das ETF-Sparen ausgleichen.

Sondertilgung von der Mehrheit bevorzugt

Den großen Schuldenberg eines Immobilienkredits zu verringern, sehen viele Immobilieneigentümer als psychisch entlastend an und wählen daher Sondertilgung statt ETF-Sparen, so das Stimmungsbild im Internet zu dieser Frage.

Rational betrachtet kann es, abhängig von der Zinslage, sinnvoll sein, ETFs zu kaufen, statt das gleiche Geld in die Sondertilgung des Immobiliendarlehens zu stecken.

Liegen die Kreditzinsen beispielsweise bei 4 Prozent und weniger, ist die Geldanlage in ETF unterm Strich rentabler, da hier langfristig nach Steuern 5,5 bis 7,2 % erwirtschaftet werden – wenngleich mit der Gefahr, dass der Kurs monatelang oder einige Jahre stockt oder sogar sinkt.

ETF relativ sicher, Sondertilgung sehr sicher

ETF haben sich historisch als rentabel und stabil erwiesen. Durststrecken bleiben am Aktienmarkt aber nicht aus und können einige Jahre andauern.

Andererseits ist die Abbezahlung des Kredits durch Sondertilgung eine sehr sichere Sache. Die Kreditzinsen von derzeit bis zu 4% hat man mit der Sondertilgung schon mal sicher verdient.

ETF-Gewinne müssen versteuert werden, die Sondertilgung nicht

Auf Gewinne durch den Verkauf von ETF fällt Abgeltungssteuer, Soli (den gibt es bei der Abgeltungssteuer noch) und gegebenenfalls Kirchensteuer an.

Beträgt der Aktienanteil im ETF mehr als 50%, sind 30% des ETF-Gewinns steuerfrei (Investmentsteuerreformgesetz 2018).

Wir gehen davon aus, dass der ETF ein Aktien-ETF ist und rechnen die steuerfreien 30% mit ein. So ergibt sich folgende Gesamtsteuerlast für ETF-Gewinne:

ETF-Gewinne müssen mit circa 18,5 bis 19,6 % versteuert werden, was die ETF-Rendite um etwa ein Fünftel senkt
Ohne Kirchensteuer Mit Kirchensteuer
18,5 % 19,6 %

Kredit ohne Sondertilgung, falls ohnehin ETF geplant ist

Eine Option zur Sondertilgung von bis zu 5% jährlich ist relativ üblich und wird von den Banken oft vergeben, ohne dass sich der Zinssatz dadurch ändert.

Manche Banken bieten keine Sondertilgung an. Hier müsste man sich die Sondertilgungsoption mit höherem Zins erkaufen.

Ist eine Sondertilgungsoption Bestandteil des Kredits, senkt die Bank oftmals auch bei Verzicht auf diese Option den Zinssatz nicht.

Möchte man die Sondertilgung z.B. auf 10% jährlich erhöhen, verlangt die Bank einen höheren Zinssatz.

Aber auch mit erhöhtem Zinssatz aufgrund von 10% Sondertilgungsoption besteht (Stand August 2024) immer noch ein Abstand zwischen Kreditzins (immer noch unter 4%) und typischer ETF-Rendite nach Steuern (mehr als 5,5%).

Ist ETF-Sparen statt Sondertilgung geplant, ist es sinnvoll, einen Kredit ohne Sondertilgung und entsprechend reduziertem Zins anzustreben.

Gefahr, dass ETF-Kurs zum Wunschtermin am Boden ist

Langfristig geht der Aktienmarkt nach oben. Längere Bärenmärkte („Baisse“) gibt es aber immer wieder.

Die letzten, schlechten Börsenphasen waren das Platzen der Dotcom-Blase 2000 und die Finanzkrise 2007/2008.

Diese Baisse-Phasen dauerten 30 (2000) bzw. 17 Monate (2007/2008).

Auch noch längere Phasen des Abschwungs am Aktienmarkt sind denkbar: Nach dem Börsencrash 1929 dauerte es bis 1954, also 25 Jahre, bis die Kurse wieder ihren alten Höchststand erreicht hatten.

25-jährige Baisse-Phasen wie vor fast 100 Jahren sind vermutlich nicht mehr zu befürchten.

Mit bis zu zwei oder drei Jahren Bärenmarkt sollte man aber sicherheitshalber auch heute noch rechnen.

ETF statt Sondertilgung lohnenswert, aber etwas riskant

Den ETF muss man nicht zu einem genauen Stichtag verkaufen. Da ein Immobilienkredit üblicherweise jahrelang läuft, sollte es möglich sein, einen guten, im Voraus geplanten Verkaufszeitpunkt zu finden.

Eine mögliche Variante wäre, verfügbares Geld zunächst in ETF zu stecken, wenige Jahre vor Ablauf des Immobilienkredits allerdings mehr und mehr zu Fest- oder Tagesgeld umzuschichten bzw. direkt vorhandenes Sondertilgungspotential zu nutzen.

Erst ETF, zum Ende hin Sondertilgung & Festgeld / Tagesgeld

So könnte man die ersten 7 Jahre in ETF investieren und auf Sondertilgungen verzichten. Drei Jahre vor dem gesetzlichen Sonderkündigungsrecht, das nach 10 Jahren gilt, beginnt man, Sondertilgungen, falls im Kreditvertrag vorgesehen, maximal zu nutzen.

Sind die Sondertilgungen ausgeschöpft, schichtet man überschüssiges Geld von ETF in Tagesgeld oder Festgeld um, um die Gefahr eines Kurssturzes der ETF-Anlage kurz vor dem gesetzlichen Kündigungsstichtag (nach 10 Jahren Kreditlaufzeit) zu umgehen.

ETF statt Sonderzahlung: Bei niedrigen Kreditzinsen noch interessanter

Da die Zinsen für Immobiliendarlehen derzeit, im Vergleich zur Niedrigzinsphase, die wir lange hatten, vergleichsweise hoch sind, ist die Entscheidung für ETF statt Sondertilgung etwas schwierig.

Wären die Zinsen wieder nahe 1 Prozent, würde dies noch mehr für ETF sprechen.

Bei jetzigem Stand ist die Entscheidung pro ETF eher etwas für nerven- und finanzstarke Anleger, deren Finanzierung nicht gleich gefährdet ist, wenn sie mit ETF statt Sondertilgung unerwarteterweise doch Verlust machen.

Zwischen Sondertilgung und damit sicherem „Gewinn“ von fast 4 % und wahrscheinlichem, aber nicht sicherem ETF-Gewinn nach Steuern in Höhe von circa 5,5 bis 7 % liegen etwa 1,5 bis maximal 3,5 Prozentpunkte.

Beispielrechnung Sondertilgung versus ETF-Sparen

Wir betrachten die ersten 10 Jahre einer Immobilienfinanzierung. Der Zins ist für die Laufzeit fest; danach werden mit Sonderkündigungsrecht ohnehin die Karten neu gemischt, d.h. Sie können den Rest dann neu finanzieren oder auf einen Schlag tilgen, wenn Sie das Geld haben.

Kaufpreis400.000 EUR
Kaufnebenkosten32.280 EUR (8,06%)
Eigenkapital50.000 EUR
Darlehensbetrag400.00 + 32.280 – 50.000 = 386.280 EUR
Kreditzinsen3,96 %
Tilgung1% und 2% im Vergleich
SondertilgungJährlich 10.000 EUR
Alternative ETFJährlich 10.000 EUR
Angenommene ETF-Rendite vor Steuern8,64 %, 7,41 %, 6,17 % und 4,94 % im Vergleich
Angenommene ETF-Rendite nach Steuern7 %, 6 %, 5 % und 4 % im Vergleich

Sehen wir uns zunächst an, welche Beträge ETF-Sparen in 10 Jahren mit den oben angegebenen Zinssätzen anhäuft. Wir gehen davon aus, dass – analog zur Sondertilgung – einmal jährlich ein fester Betrag in ETF investiert wird.

Auch nehmen wir an, dass der ETF-Kauf bzw. die Sondertilgung jeweils zu Jahresbeginn erfolgt, um gut vergleichen zu können.

Der erste ETF-Kauf ganz am Anfang generiert 10 Jahre lang Zinsen, der zweite ETF-Kauf ein Jahr später erzielt 9 Jahre lang Zinsen, und so weiter.

* Rendite nach Steuern. In dieser Tabelle setzen wir die ETF-Rendite nach Steuern pauschal mit 81% der Bruttorendite an. (100% – 19% Steuern als Mittelwert zwischen 18,5% Steuern ohne Kirchensteuer und 19,6% Steuern mit Kirchensteuer)
Wert von Rate X nach 10 Jahren ETF-Rendite 4% * ETF-Rendite 5% * ETF-Rendite 6% * ETF-Rendite 7% *
Rate 1 (10.000 €) 14.802 € 16.289 € 17.908 € 19.672 €
Rate 2 (10.000 €) 14.233 € 15.513 € 16.895 € 18.385 €
Rate 3 (10.000 €) 13.868 € 14.775 € 15.938 € 17.182 €
Rate 4 (10.000 €) 13.159 € 14.071 € 15.036 € 16.058 €
Rate 5 (10.000 €) 12.653 € 13.401 € 14.185 € 15.007 €
Rate 6 (10.000 €) 12.167 € 12.763 € 13.382 € 14.025 €
Rate 7 (10.000 €) 11.699 € 12.155 € 12.625 € 13.108 €
Rate 8 (10.000 €) 11.249 € 11.576 € 11.910 € 12.250 €
Rate 9 (10.000 €) 10.816 € 11.025 € 11.236 € 11.450 €
Rate 10 (10.000 €) 10.400 € 10.500 € 10.600 € 10.700 €
Summe aus 10 Raten zu 10.000 € 124.864 € 132.068 € 139.715 € 147.837 €

Nun vergleichen wir die Restschuld nach 10 Jahren ohne und mit Sondertilgung sowie alternativ mit ETF-Sparen und einer ETF-Rendite von 8,64%, 7,42%, 6,17% und 4,94%. Das Ganze dann noch mit 1 bzw. 2 Prozent anfänglicher jährlicher Tilgungsrate:

Der Darlehensbetrag ist 386.280 EUR aus dem obigen Beispiel.

Restschuld nach 10 JahrenBei 1% TilgungBei 2% Tilgung
Ohne Sondertilgung oder ETF 338.503 290.978
Sondertilgung 10 x 10.000 € 213.411 166.248
ETF 10 x 10.000 € mit 8,64% Bruttorendite (Netto 7%) 338.503 – 147.837 = 190.666 290.978 – 147.837 = 143.144
ETF 10 x 10.000 € mit 7,41% Bruttorendite (Netto 6%) 338.503 – 139.715 = 198.788 290.978 – 139.715 = 151.263
ETF 10 x 10.000 € mit 6,17% Bruttorendite (Netto 5%) 338.503 – 132.068 = 206.435 290.978 – 132.068 = 158.910
ETF 10 x 10.000 € mit 4,94% Bruttorendite (Netto 4%) 338.503 – 124.864 = 213.639 290.978 – 124.864 = 166.114

Wie sie sehen, schlägt sogar eine ETF-Rendite von 6,17% die Sondertilgung nach 10 Jahren um ca. 7.000 EUR (206 bzw. 159 TEUR statt 213 bzw. 166 TEUR Restschuld).

Erzielen die ETF-Sparraten durchschnittlich 7,41% vor Steuern, liegt ETF um 15.000 EUR vorn.

Und performt der ETF mit durchaus noch realistischen 8,64% pro Jahr, beträgt der ETF-Vorteil nach 10 Jahren stattliche 23.000 EUR.

Erst wenn die ETF-Rendite auf 5% sinkt, liegt die ETF-Sparplan-Variante etwa gleichauf mit jährlichen Sondertilgungen in gleicher Höhe.

Nachteil ETF bei Sozialhilfebezug

Ein Kredit für eine selbstgenutzte Immobilie kann auch bei Bürgergeldbezug durchaus weiterlaufen. Die Kreditzinsen werden vom Amt übernommen, schließlich wäre die Alternative, eine Wohnungsmiete zu übernehmen.

Ein Nachteil von ETF gegenüber der Sondertilgung ist, dass ETF-Vermögen oberhalb des Schonvermögens bei Bürgergeldbezug angerechnet werden würde.

Im Gegensatz dazu ist die reine Option zur Sondertilgung kein Vermögen, das angerechnet werden könnte. Da man jährlich sondertilgt statt, wie bei der ETF-Variante, mehrere Jahre anzusparen, hätte sich zum Beginn der Hilfsbedürftigkeit voraussichtlich nicht so viel Vermögen angehäuft.

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