Bis zu 8.000 EUR pro Jahr im Alter sparen: Pflichtversichert in die KVdR
Mindestens 90% der zweiten Hälfte Ihres Arbeitslebens müssen Sie gesetzlich krankenversichert (gewesen) sein, um als PFLICHTversicherter in die KVdR zu kommen. „Pflicht“ klingt negativ, aber in diesem Fall wollen Sie „verpflichtet“ werden. Als „freiwillig“ gesetzlich Krankenversicherter haben Sie nämlich unter Umständen gravierende finanzielle Nachteile, die sich auf mehr als 8.000 EUR pro Jahr summieren können.
Im diesem Artikel gehen wir von einem beispielhaften Zusatzbeitrag zur Krankenversicherung von 1,4 Prozent und damit einem Gesamtsatz von 14,6 + 1,4 = 16 Prozent aus.
Für privat Krankenversicherte, die dies bleiben wollen, ist dieser Artikel nicht relevant.
Nachteile der freiwilligen Mitgliedschaft in der KVdR
Wenn Sie gesetzlich krankenversichert sind, ist es unbedingt erstrebenswert, „pflichtversichert“ in die KVdR, die Krankenversicherung der Rentner aufgenommen zu werden. Die Bezeichnung „Pflicht“ ist an dieser Stelle nicht sehr intuitiv; „verpflichtet“ zu werden ist positiv, „freiwillig“ in der KVdR zu sein ist hingegen negativ.
Eine wenig bekannte Regelung besagt, dass Sie nur dann als Pflichtmitglied in die KVdR aufgenommen werden, wenn Sie folgende Bedingung erfüllen:
Mindestens 90 Prozent der zweiten Hälfte Ihres gesamten Arbeitslebens von erster Arbeitsaufnahme bis zum Renteneintritt müssen Sie gesetzlich (Pflicht-, freiwillig oder Familien-) krankenversichert gewesen sein. Je Kind (Pflege-, Stief-, Adoptiv- oder leibliches Kind) bekommen Sie drei Jahre gutgeschrieben.
Wenn Sie also mit 19 Jahren erstmalig Geld verdient haben, dann ist die gesamte Dauer des Arbeitslebens 67 – 19 = 48 Jahre. Die Hälfte davon sind 24 Jahre, und 90 Prozent davon sind 21,6 Jahre. Für jedes Kind bekommen Sie weitere 3 Jahre gutgeschrieben. Mit einem Kind wären wir dann bei 21,6 – 3 = 18,6 Jahre.
Sie müssten nun mindestens 18,6 Jahre innerhalb der letzten 24 Jahre Ihres Arbeitslebens, also im Alter zwischen 43 (67 – 24) und 67 Jahren, gesetzlich versichert gewesen sein. Gültig sind hier sowohl freiwillige als auch Pflicht- und Familienversicherungszeiten.
Die gravierende Folge dessen, wenn Sie obige Bedingung, die „Vorversicherungszeit“, nicht erfüllen, etwa weil Sie zu lange in der zweiten Hälfte Ihres Arbeitslebens privat krankenversichert waren, und somit nur „freiwillig“ krankenversichert in die gesetzliche Rentenzeit ab 67 Jahren gehen können, ist folgende:
Pflichtversicherte in der KVdR müssen auf Einnahmen aus Vermietung und Kapitaleinkünfte keine Krankenversicherungsbeiträge zahlen. Freiwillig Versicherte hingegen schon, und zwar den ganzen Satz von beispielsweise 16 Prozent inkl. Zusatzbeitrag.
Mal angenomen, Sie haben nur Anspruch auf eine sehr niedrige gesetzliche Rente von 700 EUR, erzielen aber während der Rentenzeit ab 67 Jahren Einkünfte aus Vermietung und Kapitalanlagen von 5.000 EUR pro Monat.
Jetzt müssen Sie als „Freiwilliger“ in der KVdR Ihr Gesamteinkommen bis zur Bemessungsgrenze dem Krankenversicherungssatz von 16 Prozent unterwerfen.
Und während für den 700 EUR-Rentenanteil Ihres Einkommens die Rentenversicherung die Hälfte übernimmt (bei „Freiwilligen“ erst auf Antrag), müssen Sie für die 5.000 EUR an zusätzlichen Einnahmen den vollen Satz von 16 Prozent bis zur Beitragsbemessungsrenze zahlen.
Beispielrechnung Pflicht- versus freiwillige gesetzliche Krankenversicherung
Für den Teil der gesamten Einnahmen, der die gesetzliche Rente darstellt, übernimmt die Rentenversicherung (auf Antrag) die Hälfte des Krankenversicherungsbeitrags, so wie für Pflichtversicherte auch. Bei zusätzlichen Einnahmen aus Kapitalerträgen und Vermietung gibt es aber einen gravierenden Unterschied. Freiwillig Versicherte müssen dafür Kapitalertragssteuer und Krankenversicherungsbeiträge zahlen, Pflichtversicherte dagegen nur die Kapitalertragssteuer:
Einnahme | Krankenversicherungsbeitrag Freiwillige | Krankenversicherungsbeitrag Pflichtversicherte |
---|---|---|
900 Rente + 5.000 Kapitaleink./Vermiet. | 900 * 8% + 5.000 * 16% (bis Bemessungsgrenze) = 72,00 EUR + (5.175 – 900) * 16% = 72,00 EUR + 684,00 EUR = 756,00 EUR | 900 * 8% + 0 = 72,00 EUR (Mindestbeitrag von 153,53 gilt für Freiwillige, nicht für Pflichtversicherte) |
2.000 Rente + 3.000 Kapitaleink./Vermiet. | 2.000 * 8% + 3.000 * 16% = 160,00 + 480,00 = 640,00 EUR | 2.000 * 8% + 0 = 160,00 EUR |
Wie Sie sehen, ist der Unterschied gravierend. Pflichtversicherte müssen für etwaiges Zusatzeinkommen aus Kapitalerträgen und Vermietung keinerlei Krankenkassenbeiträge zahlen, freiwillig Versicherte hingegen den vollen Satz von 16% bis zur Beitragsbemessungsgrenze von 5.175 EUR.
Das kann im ungünstigsten Fall, also bei sehr niedriger gesetzliche Rente und hohen Einkünften aus Kapitalerträgen und Vermietung, mehr als 8.000 EUR pro Jahr an Mehrkosten für den freiwillig Versicherten gegenüber dem Pflichtversicherten ausmachen.
Daher sollten Sie darauf achten, dass Sie auch in der Zeit als „Privatier“, also ohne Erwerbstätigkeit, zumindest freiwillig in der gesetzlichen Krankversicherung versichert bleiben, um so die Vorversicherungszeit für die Pflicht-KVdR zu erfüllen.
Für privat Krankenversicherte, die privat versichert bleiben wollen, ist dieser Artikel nicht relevant. Als Privatversicherter zahlen Sie sowohl vor als auch während der Rentenzeit die privaten Krankenversicherungsbeiträge, unabhängig davon, wieviel und aus welchen Quellen Sie Einnahmen erzielen.
Was tun, wenn die Vorversicherungszeit aufgrund höheren Alters nicht mehr erreicht werden kann?
Wenn Sie bereits in den Fünfzigern sind und daher selbst dann die Vorversicherungszeit nicht mehr erreichen können, wenn Sie ab jetzt bis zum Renteneintritt gesetzlich versichert bleiben, bleiben Ihnen folgende Möglichkeiten:
- Ein oder mehrere Kinder zeugen. Für jedes Kind werden Ihnen drei Jahre gutgeschrieben
- Einen Partner heiraten, der die nötige Anzahl von Kindern im Alter von maximal 25 Jahren hat, die alle noch in Ausbildung sind. Stiefkinder zählen wie leibliche Kinder.
- Auch mehrere Partner hintereinander heiraten, auf die obiges zutrifft, um die Kinderzahl zu erreichen, wäre möglich.
- Selbiges für gleichgeschlechtliche Paare als eingetragene Lebensgemeinschaft
- Die nötige Anzahl Kinder adoptieren, ebenfalls maximal 25 jahre alt und noch in Ausbildung
- Teilzeit weiterarbeiten und später in Rente gehen, sodass die Vorversicherungszeit erfüllt wird. Bei Krankenkasse informieren, was die Mindestwochenarbeitszeit und das Mindesteinkomen wären. Unseres Wissens reicht recht wenig, aber 5 Stunden die Woche und wenige Hundert EUR vermutlich nicht. Ein geringes Einkommen wäre wohl weniger ein Problem, dann greift voraussichtlich ein Mindestbeitrag, aber bezüglich einer etwaigen Mindeststundenzahl sollten Sie nachfragen.
- Den Arbeitsbeginn in jungen Jahren, zu dem leider sehr vieles zählt, bei der Beantragung der Aufnahme in die KVdR versuchen, nach hinten, also in ein höheres Alter zu schieben, z.B. Arbeitsbeginn mit 22 statt 19 Jahren. Vielleicht sollte der Verdienst mit 19 nicht zählen, da keine Berufsausbildung (zählt), sondern Zugangsvoraussetzung für ein Studium und daher Teil des Studiums (unklar, ob zählt)? Die genauen Modalitäten, was zählt und was nicht, sind nach unserer Einschätzung in dieser Detailtiefe unklar. Die Krankenversicherung entscheidet, nicht die Rentenversicherung, die das nur zur Kenntnis nimmt. Hinzu kommt, dass bei so weit zurückliegenden Dingen verständlicherweise Belege nicht immer erbracht werden können und dementsprechend wohl nicht unbedingt erwartet werden.
- Den Rechtsweg beschreiten, da diese Ungleichbehandlung womöglich nicht rechtens ist. Zumal es eine harte Grenze gibt, und bei Nichterfüllung der Vorversicherungszeit um einen Tag eine Person bei 20-jähriger Rentenzeit unter Umständen 160.000 EUR Mehrbelastung gegenüber einer anderen Person hat, die einen Tag länger gesetzlich versichert war.
- Kurz vor Renteneintritt alle Ihre Aktien und Immobilien in Gold oder Bargeld umtauschen und davon leben. Gold ist vom Handling her lästiger, aber bei Bargeld haben Sie den Wertverlust durch Inflation.
- In bestimmten Jahren der Rentenzeit viele Aktien und Immobilien in Bargeld oder Gold tauschen, um anschließend gleich mehrere Jahre davon zu leben. Da die Krankenkassenbeiträge in jedem Jahr nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze anfallen, hätten Sie für die Einnahmen in dem betreffenden Jahr, die diese Grenze überschreiten, die Krankenkassenbeiträge gespart. Ähnlich wie beim vorherigen Lösungsvorschlag hätten Sie bei Bargeld das Inflationsproblem.
- Falls noch nicht vorhanden, vor Renteneintritt selbstgenutzte Immobilie kaufen. Für die Bruttoeinnahmen aus Vermietung und Kapitalerträgen in der Rentenzeit müssten Sie sonst erst – neben Einkommens- bzw. Kapitalertragssteuer – ca. 16% Krankenversicherung zahlen, bevor Sie vom verbleibenden Rest die Miete zahlen können. Lieber also die Mietzahlungen vorwegnehmen, indem Sie diese in eine eigene Immobilie stecken, und später entsprechend weniger Einnahmen, weniger Krankenversicherungsbeiträge und keine Mietzahlungen haben.