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FIRE – Frühzeitig in Rente gehen, ist das überhaupt erstrebenswert?

FIRE steht für „Financial Independence, Retire Early“, also das Erreichen finanzieller Unabhängigkeit, um frühzeitig „in Rente“ gehen zu können. Während finanzielle Unabhängigkeit keine Nachteile zu haben scheint, ist es fraglich, ob es auch sinnvoll ist, bereits in den Vierzigern oder Fünfzigern jegliche Erwerbstätigkeit einzustellen oder zumindest nicht mehr angestellt zu sein.

FIRE hat mindestens zwei Aspekte. Da ist zum einen das Ziel, finanziell unabhängig zu sein. Dagegen läßt sich kaum etwas sagen; die Sicherheit, nie mehr in finanzielle Schwierigkeiten kommen zu können, ist beruhigend.

Der zweite Teil von FIRE, also das „Retire Early“ ist nicht so eindeutig positiv, wie es sich viele, insbesondere jüngere FIRE-Fans offenbar vorstellen.

Vorteile und Nachteile finanzieller Unabhängigkeit

Welche Nachteile könnte es haben, finanziell unabhängig zu sein? Auf den ersten Blick keine, aber der Vollständigkeit halber wollen wir etwaige Nachteile kurz beleuchten:

Mögliche Nachteile finanzieller Unabhängigkeit

  • Antriebslosigkeit: Der fehlende Zwang, Geld verdienen zu müssen, könnte zu Antriebslosigkeit führen oder der Erkenntnis, dass finanziell frei zu sein, nicht unbedingt glücklich macht.
  • Begehrlichkeiten bei Dritten: Das private Umfeld könnte darauf setzen, dass Sie als solventer Verwandter oder Freund Rechnungen übernehmen, generell spendabel sind und ähnliches.

Vorteile finanzieller Unabhängigkeit

  • Persönliche Autarkie: Die Freiheit, den weiteren Lebenslauf weitgehend selbstbestimmt gestalten zu können.
  • Vermeidung belastender Bindungen: Die Freiheit, aus beruflichen und privaten, als belastend empfundenen Bindungen auszubrechen.
  • Fähigkeit, anderen finanziell zu helfen: Die Freiheit, Dritten finanziell unter die Arme greifen zu können.

Vorteile und Nachteile des frühzeitigen Ausscheidens aus der Erwerbstätigkeit

Beim zweiten Teil von FIRE, also dem RE, das für „Retire Early“ steht, ist es weniger eindeutig, ob das unterm Strich positiv oder negativ ist.

Vorteile des frühzeitigen Ausscheidens aus Erwerbstätigkeit

  • Zeit für Hobbies, Reisen, Sport und soziale Kontakte.
  • Jegliche negativen Aspekte der Erwerbstätigkeit fallen weg: Stress aller Art in der Arbeit und Risiken durch täglichen Arbeitsweg.
  • Möglichkeit, nach dem Wetter zu leben und sich bei unwirtlichen Verhältnissen einfach zu Hause zu verbarrikadieren und bei gutem Wetter viel draußen zu sein.
  • Geographische Unabhängigkeit: Möglichkeit, temporär oder langfristig einen neuen Aufenthaltsort zu wählen.
  • Möglichkeit, dem Biorythmus nachzugeben und den Schlaf so zu legen, wie es passt. Auch ein Mittagsschlaf, in Deutschland kaum umsetzbar, wird möglich.

Soziale und psychologische Nachteile des vorzeitigen Rentner- oder Privatierdaseins

Die Vorstellung, am Strand zu liegen, klingt gut, wenn man, wie die meisten, nur gelegentlich in den Genuss gekommen ist. Doch ist Urlaub auch dann noch erstrebenswert, wenn er die Regel ist und nicht mehr die Ausnahme?

  • Vieles ist im Übermaß nicht mehr so schön, und oft gehört der Wechsel zwischen Zuständen dazu, um den angenehmeren Zustand überhaupt schätzen zu können. Gibt es Entspannung ohne vorherige Anspannung, Glück ohne (etwas) Unglück, Aufregung ohne Langeweile?
  • Wenn Sie den ganzen Tag Zeit haben, gilt das dann auch für Ihr soziales Umfeld? Die soziale Komponente eines erfüllten Lebens wird gerne unterschätzt.
  • Viel Gesprächsstoff und soziale Interaktion dreht sich rund um die Erwerbstätigkeit. Wenn andere über Sorgen und Erfolge in ihrer Tätigkeit erzählen, gelten Sie als die Peron, die da „sowieso nicht mitreden kann“.
  • „Lebenskünstler“ oder Privatier genießt als Tätigkeit wenig soziales Prestige, insbesondere bei denjenigen, denen dieser als Luxus empfundene Lebensstil verwehrt bleibt.
  • Eine Erwerbstätigkeit stiftet auch Lebenssinn. Ohne Arbeit fällt dieser möglicherweise weg und es stellt sich ein Gefühlt der Leere und Enttäuschung ein.

Finanzielle Nachteile eines verkürzten Arbeitslebens

Neben den oben erwähnten, möglichen sozialen und psychologischen Nachteilen gibt es auch finanzielle Aspekte, die bei einem vorzeitigen Ausscheiden aus der Erwerbstätigkeit nicht übersehen werden sollten:

Falls Sie gesetzlich krankenversichert sind, ist es wichtig darauf zu achten, dass Sie auch in Ihrer Zeit als Privatier gesetzlich versichert bleiben, um die nötige „Vorversicherungszeit“ für den Eintritt in die KVdR (Krankenversicherung der Rentner) als Pflichtversicherter statt als freiwillig Versicherter zu schaffen.

Alternativen zum vollständigen FIRE

Sich frühzeitig vollständig aus der Erwerbstätigkeit zurückzuziehen, kann neben den sozialen und psychologischen Folgen auch wirtschaftlich belastend sein, wenn man das Thema Sozialabgaben berücksichtigt.

Daher kann es sinnvoll sein, eine Reduktion der Erwerbstätigkeit auf Null bewußt nicht anzustreben.

In vielerlei Hinsicht klüger kann es sein, stattdessen die Stundenzahl oder Wochenarbeitstage zu reduzieren, eventuell auch drastisch. Zum Beispiel 3 mal 6 Stunden, also 18 Stunden pro Woche zu arbeiten statt 40.

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