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Renditeimmobilie mit Nießbrauchrecht kaufen: Interessant und etwas kompliziert

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Was ist eine Pflegeimmobilie

Eine ältere Dame will ihre Wohnung verkaufen, aber darin wohnen bleiben. Statt dem schwächeren Wohnrecht wünscht sie ein Nießbrauchrecht. Der Kaufpreis liegt wegen des Nießbrauchs deutlich unter dem Marktwert. Eine solche Immobilie kann sich für Anleger lohnen, die jahrzehntelang auf jegliche Mieteinnahmen verzichten können und stattdessen auf die Wertsteigerung spekulieren, die durch den reduzierten Kaufpreis noch größer ausfällt als üblich.

Nießbrauchrecht viel weitreichender als Wohnrecht

Sowohl Nießbrauch als auch Wohnrecht werden im Grundbuch eingetragen.

Sowohl Nießbrauch als auch Wohnrecht bleiben bei Verkauf, Vererbung und Schenkung bestehen.

Sowohl Nießbrauch als auch Wohnrecht sind an die Person des Begünstigten gebunden, können nicht übertragen werden und erlischen mit dem Tod des Begünstigten.

Aber nur beim Nießbrauch darf der Begünstigte nicht nur wohnen, sondern auch „Früchte ziehen„, also das Objekt vermieten.

Das ist zum Beispiel dann interessant, wenn der Nießbraucher ins Pflegeheim muss.

Beim Wohnrecht hat der Nießbraucher dann nichts mehr vom Wohnrecht.

Beim Nießbrauch kann der Nießbrauch-Berechtigte die Nießbrauch-Wohnung vermieten, zum Beispiel, um damit das Pflegeheim zu bezahlen.

Nießbrauch-Immobilie: Vorteile und Nachteile

Vorteile

Interessant ist an Nießbrauch-Immobilien, dass die Nachfrage hier aufgrund der Komplexität deutlich geringer ist als bei „normalen“ Immobilien. Das stärkt die Verhandlungs- und Gestaltungsmacht des Käufers deutlich, da schlagartig viele konkurrierende Kaufinteressenten wegfallen.

Interessante Lagen: Als Nießbrauch-Immobilien werden gelegentlich Objekte in begehrten Lagen angeboten, die sonst kaum verfügbar wären.

Mangels Mieteinnahmen gibt es auch kein Mietausfallrisiko.

Der Nießbraucher ist für viele Dinge, inklusive der Kosten, selbst zuständig und erfordert daher weniger Zeitaufwand als ein Mieter.

Der Nießbraucher geht, als vorheriger Eigentümer und aufgrund des gehobenen Alters, üblicherweise recht sorgsam mit der Immobilie um. Weiter entfernte Renditeimmobilien sind damit mit weniger Zeitaufwand realisierbar.

Nachteile

Am unwägbarsten an Nießbrauch-Immobilien ist die Abhängigkeit von der Lebensdauer des Verkäufers. Übertrifft der Verkäufer die statistische Lebenserwartung, anhand derer alles kalkuliert wird, schadet dies der Rendite des Käufers.

Ein möglicher Konfliktherd sind Renovierungen und Sanierungen. Üblicherweise muss der neue Eigentümer große, nicht regelmäßige Maßnahmen zahlen, während der Nießbraucher die kleineren, regelmäßigen Nebenkosten tragen muss. Das kann aber individuell anders vereinbart werden.

Die Finanzierung einer Nießbrauch-Immobilie als Renditeobjekt erfordert viel Eigenkapital oder ein hohes Einkommen, da bis zum Ableben des Nießbrauch-Begünstigten keine Mieteinahmen erzielt werden.

Der Käufer will ein gutes, konstruktives Verhältnis zum Nießbraucher, da nun beide emotional und wirtschaftlich in das Objekt investiert sind und spätestens bei Fragen der Instandhaltung immer wieder in Kontakt kommen.

Gleichzeitig hofft der Käufer auf ein baldiges Ableben des Nießbrauchers, um endlich das wirtschaftliche Potential der Immobilie heben zu können.

Vorbehaltsnießbrauch, Zuwendungsnießbrauch, Vermächtnisnießbrauch, Versorgungsnießbrauch

Es gibt verschiedene Formen des Nießbrauchs:

Vorbehaltsnießbrauch

Die übliche Variante, mit mehr Gestaltungsmöglichkeiten als beim Zuwendungsnießbrauch. Eltern schenken dem Kind das Haus, behalten sich aber den Nießbrauch vor.

Etwaige Mieteinnahmen gehören weiterhin den Eltern. Die Eltern zahlen auch selbst keine Miete an das Kind. Dies reduziert den Wert der geschenkten Immobilie für das Kind.

Für die Berechnung der Schenkungssteuer wird der Immobilienwert um den Wert des Nießbrauchs gekürzt. Das Kind tritt in die Afa der Eltern ein und führt diese weiter (Fußstapfentheorie). Die Berechnung des Nießbrauchwerts erfolgt anhand von offiziellen Tabellen, die die statistische Lebenserwartung berücksichtigen.

Beipiel: Nießbrauchbegünstigte ist eine 65-jährige Frau, der Immobilienmarktwert liegt bei 600.000 EUR und die übliche Netto-Jahreskaltmiete beträgt 18.000 EUR. Die Immobilie wäre in diesem Fall ca. 372.500 EUR und der Nießbrauch 227.500 EUR wert.

Je älter der Nießbrauchberechtigte, umso weniger ist der Nießbrauch wert und umso mehr die Immobilie.

Zuwendungsnießbrauch

Weniger Gestaltungsmöglichkeiten als beim Vorbehaltsnießbrauch und, wenn überhaupt, im Rahmen komplexer Steueroptimierungskonstrukte genutzt.

Eltern schenken dem Kind das Haus nicht. Sie behalten das Haus und möchten stattdessen, dass das Kind die Mieteinnahmen erhält.

Statt sich also den Nießbrauch vorzubehalten und die Immobilie zu verschenken, machen sie es genau andersherum.

Kind muss Mieteinnahmen versteuern und hat möglicherweise niedrigeren Steuersatz als die Eltern, sodass an dieser Stelle eine Steuerersparnis eintritt.

Allerdings hat der geschenkte Nießbrauch, ebenso wie die Immobilie selbst, einen Wert, und dieser muss auf Seiten des Kindes mit Schenkungssteuer versteuert werden.

Kind tritt nicht in die Afa der Eltern ein und erhält auch kein eigenes Afa-Abschreibungspotential, da die Immobilie im Eigentum der Eltern bleibt.

Vermächtnisnießbrauch

Der Erblasser verfügt, dass seine Erben einem Dritten für ein bestimmtes Objekt ein Nießbrauchrecht einräumen müssen. Also ein Zuwendungsnießbrauch, der nicht direkt gegeben wird, sondern von den Erben an den Nießbraucher gegeben werden soll.

Versorgungsnießbrauch

Der Eigentümer gibt einer anderen Person, z.B, dem Lebenspartner zu Lebzeiten ein Nießbrauchrecht. Der Lebenspartner soll z.B. nach dem Ableben des Eigentümers lebenslang weiter wohnen beiben dürfen.

Die Immobilie, oder der Teil der Immobilie, die dem Nießbrauchgeber gehört, soll dann offensichtlich nicht an den Lebenspartner gehen, mit Nießbrauch abgesichert werden soll er aber schon.

Immobilie mit Nießbrauchrecht als Kapitalanlage

Da üblicherweise circa 10-30 Jahre ab Kauf keine Mieteinnahmen erzielt werden, ist es schwierig, einen Immobilienkredit für eine solche Immobilie zu bekommen.

Eventuell ist es möglich, stattdessen mit dem Verkäufer und künftigen Nießbrauch-Berechtigten Teilzahlungen zu vereinbaren und damit eine Bankfinanzierung zu umgehen.

Der Verkäufer braucht möglicherweise nicht den kompletten Kaufpreis sofort. Das ist unsicherer für den Verkäufer, als wenn er, wie üblich, den kompletten Kaufpreis zu Beginn erhält.

Andererseits erleichert dies dem Käufer die Finanzierung erheblich. Übliche Varianten sind hier Leibrente und Zeitrente. Die genauen Modalitäten kann man durch notariell beglaubigten Kaufvertrag individuell vereinbaren.

Bei der Leibrente enden die monatlichen Zahlungen mit dem Tod. Bei der Zeitrente laufen die monatlichen Zahlungen eine bestimmte Zeit lang. Abweichende Regelungen können vereinbart werden. Z.B. kann die Leibrente auf mindestens 10 Jahre Laufzeit festgelegt werden. Verstirbt der Leibrente-Empfänger vor Ablauf, erhalten die Erben die noch offenen Leibrente-Zahlungen.

Wenn die Nießbrauch-Begünstigte sehr alt wird

Ein französischer Anwalt kaufte 1965, im Alter von 47 Jahren, gegen Leibrente die Wohnung von Jeanne Calment.

Die künftige Leibrente-Bezieherin Jeanne Calment war zum Abschluß des Vertrags 90 Jahre alt.

Wider Erwarten erlebte der Käufer den Tod der zur Leibrente berechtigten Verkäuferin nicht, obwohl er 43 (!) Jahre jünger war als diese.

Als der Käufer mit 77 Jahren an Krebs starb, hatten seine gesammelten Leibrente-Zahlungen bereits den doppelten Marktwert der Wohnung erreicht.

Da die Leibrente-Bezieherin noch lebte, musste seine Ehefrau die Leibrente weiterhin an Jeanne Calment zahlen.

Nach weiteren fast zwei Jahren starb die Leibrente-Berechtige schließlich im dokumentierten Alter von 122 (!) Jahren.

Nießbrauch und Sozialleistungen

Der Nießbrauch-Begünstigte kann, wie oben erwähnt, die Immobilie seinerseits vermieten. Diese Mieteinnahmen werden zum Einkommen des Sozialleistungsempfängers hinzugerechnet.

Doch was ist, wenn der Nießbraucher die Immobilie leerstehen läßt? Eine Pflicht zur Vermietung oder sonstigen wirtschaftlichen Verwertung des Nießbrauch-Objekts durch den Nießbraucher besteht laut OLG Köln nicht.

Es werden also hier also keine theoretisch möglichen, aber nicht realisierten Mieteinahmen angerechnet.

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