Einzelaktien auswählen via Renditedreieck: Top-Kriterium „Historie“ auf einen Blick
Man kann von der Vergangenheit nicht auf die Zukunft schließen, lautet ein auch im Börsenumfeld beliebter Gemeinplatz. Doch ist die historische Rendite genau das Kriterium, auf das letztlich alle blicken – wenn auch nicht immer entschlossen genug. Wir gehen hier „all in“ und machen Historie ganz bewußt zu unserem absoluten Top-Kriterium bei der Auswahl renditeträchtiger Aktien für unser Depot.
Die beste Visualisierung der Aktienhistorie ist das „Renditedreieck“. Wir wollen wissen, wieviel durchschnittliche Kurssteigerung wir pro Jahr gehabt hätten, wenn wir Aktie XY seit 25, 24, 23, 22, 21, 20, 19, 18, 17… Jahren gehalten hätten – also die annualisierte Rendite über längere Vergleichszeiträume.
Historie als Auswahlkriterium
Wir kümmern uns nicht um Umsatz, Gewinn, Kurs-Gewinn-Verhältnis und all die anderen wirtschaftlichen Kennziffern. Tatsächlich interessiert uns zunächst nicht einmal, was das betreffende Unternehmen überhaupt macht.
Damit steht unsere Methode im krassen Gegensatz zur verbreiteten Methode, freihändig über Trends zu sinnieren („Wasserstoff!“, „Cannabis!“, „Waffen!“) und sich dann vermeintlich zukunftsträchtige Unternehmen in diesen Bereichen zu suchen.
Das Problem bei dieser „Brainstorming-Methode“ ist, dass völlig unklar ist, welche Unternehmen sich in den jeweiligen Bereichen am besten entwickeln werden, und selbst, wenn wir das wüssten, wissen wir immer noch nicht, wie der Markt die Aktie dann bewertet.
Angenommen wir liegen mit „Wasserstoff ist die Zukunft“ prinzipiell richtig und wählen sogar die richtigen Unternehmen. Was, wenn diese Aktien dann doch nur 5 Prozent pro Jahr steigen, weil der Markt dieser Branche kein schnelleres Wachstum zutraut?
Daher halten wir den Ansatz, mit Themenfeldern (welche?) zu beginnen und sich darin Unternehmen (welche?) zu suchen, für fehlgeleitet.
Letztlich interessiert uns nämlich nur eins: Die annualisierte Rendite, und dies über einen langen Zeitraum. Wir wählen Aktien strikt danach aus.
Es ist uns unbenommen, anschließend diejenigen Aktien aus unserer Liste zu entfernen, bei denen uns das Geschäftsfeld des Unternehmens aus ethischen Gründen nicht gefällt, oder bei denen wir die Zukunft kritisch sehen.
Dieses Entfernen im Nachgang, aus einem Pool historisch starker Aktien, ist etwas völlig anderes, als mit der – wie auch immer begründeten – Festlegung auf Geschäftsfelder und Trends zu beginnen, wie es so oft zu beobachten ist.
Renditedreieck: Historische Renditen auf einen Blick
Wir halten das Renditedreieck für die beste Methode für Privatanleger, um Aktien auf einen Blick zuverlässig einzuschätzen.
Statt des Renditedreiecks wird bei Aktien praktisch immer ein Linienchart oder Bar-Chart angezeigt, eventuell angereichert um „Candlesticks“.
Diese Darstellungsform halten wir für Privatanleger, die kaufen und langfristig halten („Buy and Hold“) wollen, statt aktiv zu handeln, für nicht so gut geeignet wie ein Renditedreieck.
Aus den üblichen Charts mit der charakteristischen, im Zickzack von links nach rechts steigenden und fallenden Linie sieht man im Prinzip schon, ob und ungefähr wie stark eine Aktie steigt.
Doch lassen sich damit Aktien nur schwer miteinander vergleichen, da die angezeigten Zeiträume und die Achse, die den Kurs zeigt, meist von Aktie zu Aktie unterschiedlich sind.
Nicht nur der Vergleich von Aktien untereinander, auch der Vergleich mit anderen Anlageklassen ist mit einem Renditedreieck leichter.
Das Renditedreieck zeigt uns das mit Abstand Wichtigste einer Aktie aus Anlegersicht, nämlich die annualisierte Rendite, als einen Prozentwert, etwa „24,6%“, und das für viele Anlagezeiträume auf einen Blick.
Tatsächlich liefert uns das Renditedreieck nicht nur eine Zahl, sondern eine Zahlenreihe mit den annualisierten Renditen bis heute, abhängig vom Kaufzeitpunkt der Aktie (vor 25, 24, 23 … 3, 2, 1 Jahren).
Auch können wir dem Renditedreieck entnehmen, wie sehr die Aktie in Krisenzeiten gefallen ist („Maximum Drawdown“). Auch diese Zahl erhalten wir, sinnvollerweise, als Prozentwert.
Somit liefert uns das Renditedreieck neben der so wichtigen annualisierten Rendite auch das Ausmaß der unbeliebten Volatilität.
Die Volatilität jeder einzelnen Aktie ist nicht so bedeutend für uns. Die Auf und Abs der einzelnen Aktien in unserem Portfolio aus bis zu 40 Aktien aus den Bereichen Technologie, Pharma, Luxus, Versicherung und Industriebedarf sollten sich gegenseitig stabilisieren.
Geht der Aktienmarkt insgesamt runter, dann liegt das üblicherweise an externen Faktoren. In diesem Fall würden aber auch die Kurse von ETFs fallen.
Sinken die Kurse hingegen branchenspezifisch, zum Beispiel im Technologie-Sektor, dann sind die nicht-technologischen Aktien üblicherweise weniger betroffen.
Daher ist der Maximum Drawdown jeder einzelnen Aktie gemäß Renditedreieck für uns zwar interessant bei der Auswahl, aber nicht entscheidend. Dass wir Aktien aus verschiedenen Branchen halten, sollte den Kursverlauf unseres Portfolio soweit glätten, dass er nicht wesentlich volatiler ist als der Kurs populärer ETFs.
Die theoretische Volatilität des Portfolios ließe sich dadurch weiter senken, dass man dies bei der Aktienauswahl berücksichtigt.
Dabei würde man die Zeitpunkte der Maximum Drawdowns der einzelnen Aktien gegenüberstellen und darauf achten, dass man auch Aktien im Portfolio hat, die in der Vergangenheit weniger sensibel auf kursrelevante Großereignisse wie die Weltfinanzkrise 2007-2008 reagiert haben.
Eine solche Auswahl unter dem Gesichtspunkt geringer Volatilität senkt aber theoretisch die langfristige Rendite, da das Kriterium „möglichst geringe Volatilität“ die strikte Auswahl nach historischer Rendite etwas verfälscht.
Zielrendite: 20% und mehr pro Jahr
Da wir mit S&P 500, Nasdaq 100 und – in guten Jahren – auch mit MSCI & Co. bereits 10% und etwas mehr erzielen, wäre es wenig sinnvoll, bei der aufwendigeren und potentiell unsichereren Anlage via Einzelaktien auch nur „10 plus X“ anzustreben.
Unser Ziel muss es also sein, eher „20 plus X“ zu erreichen; andernfalls könnten wir gleich einen ETF auf den S&P 500 nehmen.
Andererseits spekulieren wir auch nicht auf dreistellige und noch höhere Kurssteigerungen pro Jahr. Das wäre wieder die Methode „Zufallstreffer landen bei Branche und Unternehmen“.
Renditedreieck: Beispiel GOOG
Hier ist das Renditedreieck der Google-Aktie (Tickersymbol GOOG). Daraus lässt sich viel ablesen, aber am interessantesten ist die waagrechte Zeile ganz unten für 2024.
Von links nach rechts lesen Sie diese letzte Zeile wie folgt:
Würde ich GOOG noch heute (genauer: bis 01.01.2024) halten und hätte sie am 01.01. des Jahres X gekauft, dann hätte ich vom Kaufjahr bis heute eine durchschnittliche jährliche Rendite von XX,XX Prozent erzielt.
Die zweite Spalte (blau) ist der Kurs zum 01.01. des jeweiligen Jahres. Hier, im Fall GOOG, in US Dollar.
GOOG
GOOG über 19 Jahre - von Dez 2004 bis zum Dez 2023.
2004 | 4,80 | |||||||||||||||||||
2005 | 10,32 | 115,2 | ||||||||||||||||||
2006 | 11,46 | 54,5 | 11,0 | |||||||||||||||||
2007 | 17,20 | 53,1 | 29,1 | 50,2 | ||||||||||||||||
2008 | 7,65 | 12,4 | -9,5 | -18,3 | -55,5 | |||||||||||||||
2009 | 15,42 | 26,3 | 10,6 | 10,4 | -5,3 | 101,5 | ||||||||||||||
2010 | 14,78 | 20,6 | 7,4 | 6,6 | -4,9 | 38,9 | -4,2 | |||||||||||||
2011 | 16,07 | 18,9 | 7,7 | 7,0 | -1,7 | 28,0 | 2,1 | 8,7 | ||||||||||||
2012 | 17,60 | 17,6 | 7,9 | 7,4 | 0,5 | 23,1 | 4,5 | 9,1 | 9,5 | |||||||||||
2013 | 27,88 | 21,6 | 13,2 | 13,5 | 8,4 | 29,5 | 16,0 | 23,6 | 31,7 | 58,4 | ||||||||||
2014 | 26,22 | 18,5 | 10,9 | 10,9 | 6,2 | 22,8 | 11,2 | 15,4 | 17,7 | 22,1 | -6,0 | |||||||||
2015 | 37,90 | 20,7 | 13,9 | 14,2 | 10,4 | 25,7 | 16,2 | 20,7 | 23,9 | 29,1 | 16,6 | 44,6 | ||||||||
2016 | 38,55 | 19,0 | 12,7 | 12,9 | 9,4 | 22,4 | 14,0 | 17,3 | 19,1 | 21,7 | 11,4 | 21,3 | 1,7 | |||||||
2017 | 52,26 | 20,2 | 14,5 | 14,8 | 11,8 | 23,8 | 16,5 | 19,8 | 21,7 | 24,3 | 17,0 | 25,9 | 17,4 | 35,6 | ||||||
2018 | 51,72 | 18,5 | 13,2 | 13,4 | 10,5 | 21,1 | 14,4 | 17,0 | 18,2 | 19,7 | 13,2 | 18,5 | 10,9 | 15,8 | -1,0 | |||||
2019 | 66,78 | 19,2 | 14,3 | 14,5 | 12,0 | 21,8 | 15,8 | 18,2 | 19,5 | 21,0 | 15,7 | 20,6 | 15,2 | 20,1 | 13,0 | 29,1 | ||||
2020 | 87,49 | 19,9 | 15,3 | 15,6 | 13,3 | 22,5 | 17,1 | 19,5 | 20,7 | 22,2 | 17,7 | 22,2 | 18,2 | 22,7 | 18,7 | 30,1 | 31,0 | |||
2021 | 144,52 | 22,2 | 17,9 | 18,4 | 16,4 | 25,4 | 20,5 | 23,0 | 24,6 | 26,4 | 22,8 | 27,6 | 25,0 | 30,3 | 29,0 | 40,8 | 47,1 | 65,2 | ||
2022 | 88,63 | 17,6 | 13,5 | 13,6 | 11,5 | 19,1 | 14,4 | 16,1 | 16,8 | 17,5 | 13,7 | 16,4 | 12,9 | 14,9 | 11,1 | 14,4 | 9,9 | 0,6 | -38,7 | |
2023 | 140,77 | 19,5 | 15,6 | 15,9 | 14,0 | 21,4 | 17,1 | 18,9 | 19,8 | 20,8 | 17,6 | 20,5 | 17,8 | 20,3 | 18,0 | 22,2 | 20,5 | 17,2 | -1,3 | 58,8 |
Die „Treppenstufen“ an der rechten Seite des Dreiecks, von ganz oben bis rechts unten, sind die Kurssteigerung im jeweiligen Jahr (Jahr = siehe erste Spalte mit Jahreszahlen).
Die Kaufjahre sind horizontal, die Verkaufsjahre vertikal angeordnet. Am Beispiel GOOG sehen wir:
Gekauft am 01.01. des Jahres | Durchschnittl. jährl. Kurssteigerung bis 01.01.2024 |
---|---|
2006 | 19,4% |
2007 | 15,4% |
2008 | 15,4% |
2009 | 15,5% |
2010 | 20,7% |
2011 | 18,5% |
2012 | 18,9% |
Weitere Jahre | Siehe Renditedreieck, letzte Zeile (2024) von links nach rechts |
Falls Sie sich jetzt wundern, wie wir mit unserem Portfolio aus Einzelaktien auf durchschnittlich 20% plus X kommen sollen, wenn Google eher bei circa 20 liegt: Google ist hinsichtlich der Rendite eher am unteren Rand der Aktien, die wir in Betracht ziehen wollen.
Aufgrund seiner Größe, marktbeherrschenden Stellung, Größe des „Burggrabens“ (Schwierig für Konkurrenten, Google Marktanteile abzunehmen) und der geringen Volatilität ist Google auf jeden Fall dabei.
Es folgen in Kürze in einem weiteren Artikel circa 40 Aktien, die historisch bei circa 20 bis 40 Prozent Kurssteigerung pro Jahr liegen.